Ein Kirmesbesuch in Eitorf ist immer ein bisschen wie eine Zeitreise für mich. Statt einer Kapsel, die durch Raum und Zeit katapultiert wird, reicht das Riesenrad. Die kleinen Gondeln knirschen und schaukeln noch genauso wie vor vielen Jahren. Während mein Blick der kreisenden Reise des Rades folgt, kommen sofort Erinnerungen hoch:
Mit meinem Vater war die Fahrt mit dem Riesenrad ein festes Ritual. Später ergänzt durch genau kalkulierte Runden mit Freunden pünktlich zum Abschlussfeuerwerk und natürlich romantische Stunden mit der ersten Liebe.
Doch Eines blieb immer gleich: Die Angst, dass der Schausteller die Gondel mit einem kräftigen Ruck in eine Drehbewegung versetzen könnte. Mein ängstlicher Blick hat bestimmt das ein oder andere Mal dazu verleitet. Dann versuchte ich verzweifelt in der Aufwärtsbewegung die Drehung mit meinen Händen abzubremsen. Für mich bedeutete es pures Glücksgefühl, wenn die Gondel genau auf dem höchsten Punkt stehen blieb, denn dann wünschte ich mir etwas. Viele dieser abergläubischen Kirmes-Wünsche sind in Erfüllung gegangen.

Doch nicht nur das Riesenrad ruft Erinnerungen wach, auch die Gerüche und Stimmen haben sich seit Jahren nicht verändert. Das Fahrgeräusch des Kinderkarussells vorm Optiker Deutsch, der süße Duft von frischgebrannten Mandeln, die Stimme der Schaustellerin beim Pferderennen, das Durcheinander der Budenmusik – scheinbar konserviert für die Ewigkeit.
Den Meisten von uns ist das Dorf längst zu klein geworden, wohnen weit verstreut über die gesamte Republik. Doch wenn in Eitorf Kirmes ist, dann sind sie alle wieder da. Dann werden die Traditionen gepflegt, der Bierpilz der vertrauten Vereine aufgesucht und am Riesenrad verabredet – zur vollen Stunde natürlich.
Wie so oft müssen Weggezogene ihre Heimat nennen und erklären dann wortkarg, dass Eitorf „bei Bonn“ oder bestenfalls „hinter Siegburg“ liegt. Die gefühlte Distanz zum Dorf wird kleiner im September. Der Versuchung in der Vergangenheit zu schwelgen, können sich nur die Wenigsten entziehen. Denn, wie heißt es so schön: „Man bekommt den Menschen aus dem Dorf, aber nicht das Dorf aus dem Menschen“ – das gilt vor allem zur Kirmeszeit.