Inhaber*innen von Unverpackt-Läden sagen dem Verpackungsmüll den Kampf an. Obwohl Nachhaltigkeit von vielen Verbraucher*innen gewünscht ist, ist das Konzept noch lange kein Selbstläufer. Denn die Einkaufsroutinen zu durchbrechen und als selbstverständlicher Teil der Einkaufskultur gesehen zu werden – das ist eine echte Herausforderung.

Ein Kind im Alter von zwei Jahren entdeckt zunehmend den Wunsch nach Unabhängigkeit und Mitbestimmung. Das kann zu berüchtigten Trotzanfällen führen, aber zeigt dem Umfeld auch: Ich weiß, was ich will. Der Unverpackt-Laden „Einfach lose“ in Troisdorf Spich ist gerade zwei Jahre alt geworden und ein bisschen Trotz schwingt mit, wenn Inhaberin Regina Hopp-Konrad über die ersten Jahre ihrer Selbstständigkeit spricht. „Ich habe den Laden in extremen Zeiten gegründet, kurz nach dem ersten Lockdown“, berichtet die 42-Jährige. Verkostungen, längere Kundengespräche mit einer Tasse Kaffee oder andere soziale Aktionen zur Kundengewinnung fielen durch Corona größtenteils weg. Bereits die Renovierung des Ladenlokals an der Hauptstraße in Spich wurde zur unerwarteten Herausforderung. Statt der angekündigten Unterstützung durch Freunde, musste die Gründerin das meiste in Eigenregie bewerkstelligen. „Da die Baumärkte auch zu hatten, musste ich zum Beispiel die Arbeitsplatte selber zurechtsägen“, berichtet sie. Mithilfe von YouTube-Videos und den fachmännischen Erklärungen ihres Vaters löste sie das ein oder andere handwerkliche Problem. „Das war wirklich kein einfacher Start“, bestätigt auch der 75-jährige Vater, als er zusammen mit seiner Frau dem Geschäft den wöchentlichen Besuch abstattet. Gerhard und Ursula Hold holen eine der so genannten Querfeldkisten ab, in denen gerettetes Bio-Gemüse und Obst zusammengestellt ist, das beispielsweise zu krumm für den Supermarkt ist. Der Unverpackt-Laden ist eine der Abholstationen für das Online-Abo Angebot. Für Regina Hopp-Konrad ist die Kooperation eine ideale Möglichkeit auf sich aufmerksam zu machen. 

Die individuelle Kundenbindung ist Hopp-Konrads größte Chance. Denn obwohl Initiativen wie „Fridays for Future“ das Bewusstsein für Nachhaltigkeit, auch beim Einkaufen, geschärft haben, hat nicht nur der „einfach lose“-Laden in der Pandemie zu kämpfen. Tatsächlich haben viele kleine individuelle Geschäfte seit dem Beginn der Pandemie enorme Umsatzeinbußen – das bestätigt auch der Verband der Unverpackt-Läden.  „Die Menschen nehmen sich einfach nicht mehr die Zeit fürs Einkaufen, sondern fahren lieber die großen Supermarktketten an, wo sie alles auf einmal bekommen“, erklärt Shabnam Beus vom Verband. Alleine im ersten Quartal 2022 hätten bundesweit elf Geschäfte ihrer Mitglieder schließen müssen, im gesamten Jahr 2021 waren es 14.

Regina Hopp-Konrad in ihrem Laden „Einfach lose“ in Troisdorf Spich. Foto: Christine Siefer

Die nächste Kundin, die den Laden mit ihrem Sohn im Kinderwagen betritt, hat die Suche nach einer bestimmten Limonade zum ersten Mal in den Laden geführt. Jetzt will sie wissen, ob das Gemüse und Obst in der Auslage auch Bio-zertifiziert sei. Im Gegensatz zum Angebot der Abokiste bietet Hopp-Konrad selbst nur regionales Gemüse an. „Biogemüse oder Obst hat oft lange Anfahrtswege und da nutze ich lieber die Landwirte aus der Gegend, die ich kenne“, erklärt sie ihr. So komme auch ihr Mehl von der Horbacher Mühle aus Neunkirchen-Seelscheid, sodass sie bisher auch nicht von der Knappheit aufgrund des Ukraine Krieges betroffen gewesen sei. Nach einer kurzen Online-Recherche mit der Kundin, verspricht die Ladenbesitzerin die ungewöhnliche Lavendel-Limonade einmal zu bestellen. 

Bettina Roth war die Vorreiterin im Rhein-Sieg-Kreis als sie 2018 ihr Geschäft „Fräulein Jule“ in Lohmar – Wahlscheid eröffnete. Der Laden lief gut an. Treue Stammkunden, die regelmäßig Lebensmittel grammgenau in selbstmitgebrachte Gefäße oder Pfand-Behälter füllen, waren schnell gefunden. Doch dann kam die Pandemie, jetzt Krieg und Inflation. „Seit März 2020 sinken unsere Umsätze kontinuierlich. Und seit Frühjahr 2022 gab es erneut einen massiven Einbruch. Diese Einbußen von 60 Prozent können wir nicht mehr auffangen“, gibt Bettina Roth auf ihrer Homepage bekannt. Die Rücklagen seien erschöpft, die Kräfte auch. Einige ihrer Stammkunden haben bereits Ideen für eine Alternative, erzählt sie. „Es gibt den Wunsch nach einem Dorfladen, der auch Begegnungsstätte ist.“ Auf die Frage, ob sie dann Teil eines neuen Konzeptes würde, antwortet sie mit einem klaren Nein: „Ich bin erst einmal durch mit der Selbstständigkeit, ich unterstütze gerne privat, aber beruflich sehne ich mich jetzt erst einmal nach einem festen Job.“

Auch Hopp-Konrad hörte von einigen Banken, dass es keine Zukunft für Unverpackt-Läden gäbe. „Als Alleinerziehende aus der Arbeitslosigkeit heraus ein Unternehmen zugründen, stieß generell auf nicht viel Unterstützung“, erzählt die Mutter von zwei Töchtern im Alter von 12 und 17 Jahren, auch wenn sie als gelernte Einzelhandels- und Industriekauffrau mit Weiterbildung im Bereich Webdesign die idealen Voraussetzungen für den Laden mitgebracht hätte. Ein Dreiviertaljahr feilte sie am Businessplan und der Finanzierung, dann bekam sie schließlich Ende 2019 einen Kredit beim Europäischen Sozialfonds.  Auch die anderen Inhaberinnen und Inhaber der Unverpackt-Läden im Rhein-Sieg-Kreis halfen mit Tipps. „Ich habe viel Input bekommen, worauf ich achten soll, welche Produkte sich gut und weniger gut verkaufen und welche Lieferanten und Großhändler beispielsweise mit Pfandeimern arbeiten.“  Inzwischen geben sie Sammelbestellungen auf, wenn die Absatzmenge für einen Laden alleine zu wenig ist. 

Magdalena Ebert in ihrem Laden „Naturverliebt.unverpackt“ in Eitorf, Foto: Christine Siefer

Davon profitiert auch Magdalena Ebert, die erst Anfang September 2022 ihren Teeladen offiziell als Unverpackt-Laden „Naturlieb.unverpackt“ wiedereröffnet hat. „Die kleinen Läden haben es generell schwer in diesen Zeiten“, sagt die 34-Jährige und ergänzt, dass ihr jedoch auch viel Dankbarkeit entgegengebracht würde, dass sie trotzdem etwas Neues aufbaue. Nachdem sie im vergangenen Jahr den Teeladen von der Vorbesitzerin übernommen hatte, sei ihr aufgefallen, dass bereits viele Stammkunden ihre eigenen Behälter, beispielsweise Teedosen, mitgebrachten. Da lag die Erweiterung des Angebots mit Grundnahrungsmittel, Kräutern sowie Süßwaren und Naturprodukten nahe. Dabei versucht die Gründerin von „Naturlieb“ von auch auf Kundenwünsche einzugehen. „Man kann zwar nicht allem gerecht werden, aber das ist sehr wertvoll für kleine Läden und auch die Kunden“, sagt Magdalena Ebert.

„Corona hat uns aber alle im Bezug zur Nachhaltigkeit zurückgeworfen“, urteilt Regina Hopp-Konrad. Dazu halte sich der Mythos, dass unverpackte Lebensmittel und deren Einkauf unhygienisch seien. Die Troisdorferin stellt klar: „Ich werden genauso streng kontrolliert wie ein normaler Supermarkt und bevor ich die Behälter neu befülle, müssen sie komplett leer und gereinigt sein.“ Die Chargennummer und das Mindesthaltbarkeitsdatum werden ebenfalls stets aufgeführt.  Sie zeigt auf die Bastkörbe mit Zangen und Schaufeln, die ebenfalls nach jeder Benutzung gereinigt und desinfiziert werden. Mit neuen Workshops zu Themen wie der Herstellung von festem Shampoo will sie Vorurteile abbauen. „So schnell gebe ich nicht auf“, sagt sie bestimmt und ergänzt, dass der Laden schließlich ihr Baby sei. Zum zweiten Geburtstag ihres „Babys“ freut sich Hopp-Konrad darüber, dass sie trotz des schwierigen Starts ihr Geschäft bisher nicht aufgegeben hat.  Ihr schwebten dafür noch zu viele Ideen im Kopf herum: „Eine Frischetheke für vegane Käse und Wurstalternativen und ein kleines Café würden das Konzept abrunden“, erzählt sie. Um neue Kunden zu gewinnen und Investoren auf sich aufmerksam zu machen, möchte Regina Hopp-Konrad im Oktober verschiedene Workshops anbieten. 

Weitere Unverpackt-Läden im Rhein-Sieg-Kreis:

Unverpackt Seelscheid

Unverpackt Oberpleis

Siegburg Unverpackt

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