Neben dem klassischen Hofverkauf, haben immer mehr Bauern und Bäuerinnen Selbstbedienungs-Automaten aufgestellt, die oft jeden Tag in der Woche 24 Stunden nutzbar sind. Dort gibt es beispielsweise Milch zum Abfüllen, Eier oder selbstgemachte Leberwurst im Glas. Hier erfahrt ihr, wo ihr im Rhein-Sieg-Kreis Hof-Produkte am Automaten bekommt und warum einige in der Landwirtschaft Beschäftigte mit dem Automaten-Konzept trotz hoher Nachfrage hadern.
„Wenn ich die Milchtankstelle nicht hätte, hätte ich mit der Milchproduktion schon aufgehört“, sagt Bauer Bruno Stauf aus Neunkirchen-Seelscheid. Der reguläre Literpreis decke kaum die Produktionskosten ab und habe sich seit 30 Jahren kaum verändert. 2010 war er einer der Ersten, der seine Frischmilch an einer Milchtankstelle (Bockenbuscher Weg 2) zum Selberzapfen anbot. Inzwischen ist er in guter Gesellschaft.


In der Corona-Pandemie hätten einige Ortsansässige diese Angebote neu für sich entdeckt, berichtet auch Landwirt Andreas Becker aus Niederkassel-Uckendorf. Er hat gleich vier Automaten auf seinem Hofgelände (Lindholzer Weg 1) stehen. Eine App informiert den 37-Jährigen über jeden Kauf seiner Waren, darunter Molkereiprodukte, selbst hergestellte kaltgepresste Öle, Eier, Honig sowie diverse Fleischwaren der männlichen Küken, den so genannten Bruderhahn-Produkten. „Vor allem sonntags und sehr früh und spät am Tag, wenn Schichtarbeiter von der Arbeit kommen, zeigt mir die App Verkäufe an“, berichtet er und ergänzt, dass dazu auch Polizeibeamte zählen würden. Das erwähnt er nicht ohne Grund, denn die Sorge um Aufbrüche ist unter den Anbietern groß. Fast jeder hat bereits Erfahrungen mit Diebstählen gemacht. Dies bestätigt auch die Kreis-Polizei auf Nachfrage. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Polizei sieben Diebstähle an Milch-Automaten und mobilen Hofständen mit Selbstbedienung.
Der Milch-Automat der Familie Ramminger in Eitorf-Köttingen (Ruppichterotherstraße 13) wurde im vergangenen Jahr bereits drei Mal aufgebrochen. „Der Automat steht in der Nähe des Kinderzimmer-Fensters und unsere kleinen Töchter hatten nach den Taten erst einmal Angst dort schlafen zu gehen“, erzählt Familienvater Mathias Ramminger und ergänzt, wenn es noch einmal passiere, würde sie den Automaten abbauen, das sei es ihnen nicht wert. Fast alle Anbieter haben daher inzwischen eine Videoüberwachung, so auch die Familie Höck in Lohmar. Seit 2017 können Käufer an der Milchtankstelle (Im Hammersch 13a) Frischmilch zapfen. Wer die Milchkühe persönlich kennenlernen will, soll sich melden, wirbt die Familie auf ihrer Homepage.
Bei Landwirt Christian Becker vom Haus Attenbach in Hennef-Stein sind es rund 340 Kühe, die unter anderem Milch für den 24-Stunden Verkauf geben. Neben dem Milch- und Eierautomaten bietet die Familie Becker zusammen mit Eisdielenbesitzer Omar Tormen Speiseeis an. Zudem steht neben dem Holzhäuschen (Haus Attenbach 1) der mobile Verkaufsstand des Hofladens Strack aus Hennef-Uckerath mit eigenen Produkten wie Marmelade, Wildgulasch, Nudeln oder Gemüse. Auch dort wurden bereits mehrmals Lebensmittel sowie Geld gestohlen. Doris Becker will das Angebot aber trotzdem aufrechterhalten: „Wir haben viel Geld in den Aufbau investiert und es macht ja auch Spaß, es deswegen nicht anzubieten ist keine Option.“
Ähnlich sieht es Landwirt Peter Wilhelm Ellingen aus Hennef-Uckerath. Bei ihm auf dem Hof (Burgstraße 18) steht ein Kühlschrank mit Freiland-Eiern, Kartoffeln oder Nudeln; Suppenhühner und Rindfleisch gibt es auf Vorbestellung. Die Bezahlung am Kühlschrank läuft auf Vertrauensbasis. „Das funktioniert im Großen und Ganzen gut, die Leute sind ehrlich“, sagt der 57-Jährige. „Mit den negativen und ärgerlichen Randerscheinungen muss man leben.“ Er habe sich darauf eingestellt, nachts sei die Kasse leer.
Beim Verkaufsstand des Hof Scheja in St. Augustin-Menden (In den Hasenkaulen 30) gibt es Quark, Joghurt, Eier von eigenen Hühnern oder Nudeln. Einmal Mal im Monat bieten sie auch frisch geschlachtetes Schweine- und Rindfleisch an. Im 24-Stunden-Automaten kann im Gegensatz zu den meisten Angeboten auch pasteurisierte Milch gekauft werden. Das kommt Lea Hundenborn und ihren zwei Kindern entgegen. „Wenn wir hier spazieren gehen, holen wir uns oft einen Kakao“, erzählt die ortsansässige 21-Jährige. Der Automaten spuckt eine 0,5 Literflasche mit Kakaopulver aus, die dann wieder mit der pasteurisierten Milch befüllt werden kann. „Ich sehe aber auch oft Erwachsene, die hier einkaufen und sich dann auf dem Rückweg zum Auto einen Kakao gönnen“, berichtet Inhaberin Annika Hache.
Für Landwirt Bruno Stauf aus Neunkirchen-Seelscheid bot die Selbstvermarktung auch eine Chance für den Umbau seines Betriebes. Er hat weniger Kühe als früher und züchtet seit Jahren eine robustere Rasse, die so genannte Ur-Milch gibt. „Die Hochleistungsmilchkuh erträgt kaum drei Tage Regenwetter auf der Weide“, erklärt er mit Bezug auf die Überzüchtung. Seine Kühe bekämen statt Mais oder Soja ausschließlich Gras. „Das macht auch was mit der Milch, sie gilt als verträglicher“. In wenigen Wochen soll die erste Ur-Milch im Automaten im Ortsteil Pohlhausen stehen.
Infos:
Der Preis für einen Liter Milch liegt derzeit an den Automaten im Rhein-Sieg-Kreis zwischen einem Euro und 1,30 Euro. Rohmilch darf aus hygienischen Gründen nur direkt am Hof verkauft werden. Daher stehen fast alle Milchtankstellen unmittelbar am Bauernhof. Wer keine Flasche dabei hat, kann fast überall saubere Flaschen erwerben. Da die Rohmilch nicht pasteurisiert ist, kann sie krankmachende Bakterien wie Campylobacter, EHEC, Listerien oder Salmonellen enthalten. Besonders gefährdet sich Kleinkinder, Schwangere, ältere Menschen oder immungeschwächte Personen. „Die Rohmilch, die über die Automaten abgegeben wird, ist ausschließlich zum Verzehr nach Abkochen gedacht und nicht für den rohen Verzehr“, formuliert es u.a. der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands.
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